Jetzt registrieren!
Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Post Type Selectors

Finde die besten Produkte

Anzeige

Wie Wärme-Cremes uns ordentlich einheizen

Mein Nacken schmerzte. Kein Problem, dachte ich und klebte ein Wärmepflaster auf die neuralgische Stelle. Doch beim rechts Abbiegen – Schulterblick – das Pflaster hielt nicht! Rückwärts einparken? Das Ding löste sich wieder. Statt der erhofften entspannenden Wärme, entspannte sich ein nerviger Kampf Mensch gegen Pflaster.

Anzeige

©iStock.com/Wavebreakmedia

Gerade im Winter: Zugluft und Fehlhaltungen führen zusätzlich zu Muskelverspannungen und Rückenschmerzen. TV Köche wissen sich mit scharfen Chillies zu helfen, oder es kommt gleich ein feuerspeiender Drache, der einem versucht, ordentlich einzuheizen. Wärme ist  jetzt im Angebot: als Pflaster, Auflage oder Creme. Aber wie kommt die Wärme am besten in die Haut und dahin, wo sie wirken soll?

Die scharfe Kraft der roten Schoten

Chili ist eines der Zauberwörter, ähm Zauberstoffe. Wer schon mal selber die kleinen roten Schoten klein geschnippelt und sich dann unvorsichtigerweise an Nase oder gar Auge gewischt hat, weiß was Brennen ist. Das wirksame Agens ist Capsaicin, das übrigens in (fast) allen Vertretern der Paprika (Capsicum) enthalten ist, abhängig von der Art der Schote und vom Anbauklima.

Strukturformel von Capsaicin

Abb.1: Strukturformel von Capsaicin

Gerankt wird die Schärfe mit der Scoville Schärfe Skala (de.wikipedia.org/wiki/Scoville-Skala), in der Capsaicin einen Wert von 16 Millionen Einheiten erreicht. Habaneros, Jalapenos, Tabasco oder Sambal Olek sind dagegen „mild“.

Abb. 2: Scoville Schärfe einiger Paprikasorten

Abb. 2: Scoville Schärfe einiger Paprikasorten

Schmerz der wirkt?

Trägt man nun Capsaicin (in hoch verdünnter Form! Gängige freiverkäufliche Formulierungen enthalten 0,025 bis 0,1%) auf die Haut auf, entsteht ein Schmerzreiz. Wie nun Capsaicin auf die Nerven und die Schmerzübertragung wirkt, ist derzeit ein weites Forschungsgebiet. Man weiß, dass Capsaicin für die Reduktion von Substanz P (www.spektrum.de) und anderen Neuropepiden in der Haut sorgt. Diese sind alle wichtig für die Schmerzübertragung und werden sozusagen „ausgeschaltet“ (siehe auch: Juckreiz, Schmerz und meine Haut). Gleichzeitig verursacht Capsaicin einen starken sensorischen Reiz: Nervenfasern ziehen sich aus der Epidermis zurück,  die Blutgefäße erweitern sich und es kommt zu einer Erwärmung der Haut, die mehrere Stunden anhalten kann. Und klingt der erste Schmerz dann ab, tut die Behandlung richtig gut.

Und die Nebenwirkungen?

Ach, hatten wir die nicht schon? Das starke Brennen, das Capsaicin verursacht, ist es eigentlich schon. Die südostasiatische Küche „lebt“ sozusagen von den scharfen Schoten und der Einsatz in Medizin oder Kosmetik wird als „generally safe“ klassifiziert. Denn alle Wirkungen des Capsaicins sind reversibel. Und mehr noch: man wird gegen das Brennen unempfindlicher, die systemische Wirkung bleibt aber bestehen. Capsaicin wird bei Migräne, Arthrose und Rheuma angewendet. Und der Knüller: Setzt man hochkonzentriertes Capsaicin ein, bleibt die Wirkung der Schmerzreduktion sogar bis zu 12 Wochen bestehen!

Gibt es Alternativen?

Klar, für die Superempfindlichen gibt es Möglichkeiten ohne Ende: Methylsaclicylat oder Nicotinsäure, die auch einen Wärmereiz  erzeugen, als chemische Alternativen. Wer nun gar keine Chemie möchte, kann sich mit Wärmespeichern helfen: Latentwärmekissen – das sind die, die beim „Klick“ auskristallisieren und so Wärme abgeben oder mit Zeolithen, die Wasser einlagern und dabei Adsorptionswärme freisetzten (Achtung, das kann echt heiß werden!). Nicht reversible Systeme sind die Auflagen, bei denen im Kontakt mit Luftsauerstoff eine Oxidation abläuft, bei der Wärme freigesetzt wird.
Eines sollte einem aber klar sein, eine effektive Schmerzlinderung auf nervlicher Basis geht nur mit Capsaicin oder analogen Verbindungen, die auf den TRPV1 Rezeptor* wirken.

Und die beste Anwendungsform?

Creme, wäre gut, Pflaster haben dagegen den Vorteil, dass man sich nicht die Hände „kontaminiert“. In meiner Apotheke erstand ich nun eine Creme „stark“, die löst sich immerhin beim Umdrehen nicht wieder ab. Ach, hab ich fast vergessen: Frauen reagieren auf Capsaicin stärker als Männer, bei denen hält die Wikung dafür länger an … Meine Erfahrungen mit dem Produkt allerdings sind enttäuschend: Ist es für Weicheicher? Ja es brennt – mäßig, es wird warm – aber nicht lange. Ich bin bereit für mehr – some like it hot!

*TRPV1 ist eigentlich ein Ionenkanal in den sensorischen Nervenzellen und wird auch Capsaicin Rezeptor genannt. https://de.wikipedia.org/wiki/Transient_Receptor_Potential_Vanilloid_1

Siehe auch:
Die Skala des Wilbur Lincoln Scoville. Manche mögen’s scharf, Klaus Roth Professor, Article first published online: 9 APR 2010, DOI: 10.1002/ciuz.201000525Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chemie in unserer Zeit, Volume 44, Issue 2, pages 138–151, April 2010

www.daserste.de

ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de

Foto: ©iStock.com/Wavebreakmedia
Abbildungen: Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu

Autor dieses Artikels:
Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu ist promovierte Chemikerin und Expertin auf dem Gebiet der Entwicklung und Produktion von Kosmetika. Sie bringt mehr als 16 Jahre Erfahrung in der kosmetischen Industrie mit sowie sieben Jahre freiberufliche Erfahrung in Shanghai, China und Mülheim adR.

Urheberrecht: Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu. Verwendung des Textes nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors.

Dieser Artikel wurde verfasst am 8. Dezember 2015
von in der Kategorie Geheimnis Kosmetik

Dieser Artikel wurde seitdem 2200 mal gelesen.

Hinterlasse eine Antwort

Du musst eingeloggt sein, um einen Kommentar schreiben zu können.

Anzeige