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Der Hype um MOSH und MOAH – wie giftig sind Kohlenwasserstoffe?

Sommerzeit ist Sauregurkenzeit und die Zeit, in der ein gepflegter Hype um einen kosmetischen Inhaltsstoff gerade recht kommt. Er füllt dann Seiten in Magazinen, bindet Sendezeit im TV und verursacht – ganz nebenbei – bei den Kosmetikentwicklern Kopfzerbrechen und Überstunden. Meist unnötig, denn viele Hypes, sind einfach nur Enten. Wie MOSH und MOAH in Lippenstiften.

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Der Hype um MOSH und MOAH – wie giftig sind Kohlenwasserstoffe?

Es ist ja nicht selten, dass Inhaltsstoffe oder Problemstoffe aus der Lebensmittelindustrie in der Kosmetik den größeren (emotionalen) Schaden anrichten. Während also 2017/18 der Hype um sogenanntes MOSH und MOAH die Medien beherrschte (1), werden jetzt erste Analysen-Ergebnisse veröffentlicht. Der Hype ist abgeflaut, die Lippenstifthersteller haben ihre Formeln umgestellt, und wir Verwenderinnen haben das schon wieder vergessen, oder?

Recycling als Problemquelle

Eigentlich war es ja gut gemeint, aber das ist ja nach Tucholsky das Gegenteil von gut. Nun ist das gut gemeint also im Recycling Papier angekommen, das für Lebensmittelverpackungen verwendet wird. Dumm nur, dass in diesem Papier noch Reste von seinem Vorleben sind. Wie z.B. Druckfarben. In diesen sind häufig Kohlenwasserstoffe enthalten, die sich jetzt in dem Papier befinden – und – in das darin verpackte Lebensmittel migrieren können. Es sind MOSH und MOAH (2, 3). Dass das so ist, ist seit geraumer Zeit bekannt (4, 5).
In die Medien schaffte es das Thema vor zwei Jahren und wurde dann ganz schnell auch im Zusammenhang mit Lippenstiften diskutiert (6).

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Kohlenwasserstoffe (KW), was sind das?

Kohlenwasserstoffe sind organische Verbindungen, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen. Einfachster Vertreter ist Methan, das die Summenformel CH4 hat. Kohlenwasserstoffe können sehr klein sein (wie Methan) oder riesige Makromoleküle bilden (z.B. Polyisopren, ein Bestandteil des Naturkautschuks). Dazwischen gibt es alles: linear unverzweigt, linear verzweigt, zyklisch, polyzyklisch, ungesättigt und aromatisch, substituiert und ohne Reste. In der Kosmetik findet man sie als Paraffinum liquidum, Cera Microcristallina, Ozokerite oder Vaseline. Als Abkürzung dafür haben sich MOSH (Mineral Oil Saturated Hydrocarbons, eigentlich in der Chemie die aliphatischen KWs) und MOAH (Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons, armoatische KWs) eingebürgert.

Abbildung zeigt verschiedene KWs und ihre Strukturformeln (7)

Abbildung zeigt verschiedene KWs und ihre Strukturformeln (7)

Anwendungseigenschaften von Kohlenwasserstoffen

Ich bleibe jetzt mal beim Lippenstift (8, 9), da der ja auch in der Diskussion stand. Eine Stiftformulierung besteht im Wesentlichen aus Wachsen und Ölen, wobei die Wachse das Gerüst bilden und Festigkeit verleihen. Damit uns der Stift im Sommer nicht in der Handtasche schmilzt, setzt man hochschmelzende Wachse ein. Dafür bieten sich mineralische Wachse an, die ja, durch Destillation aus Fraktionen des Mineralöls gewonnen werden. Sie bekommen also nie ein Naturkosmetik Zertifikat (10). Da Lippenstifte aber zu einem Teil oral aufgenommen werden, also im Verdauungstrakt landen (und diesen wieder verlassen), werden ihre Inhaltsstoffe besonders genau untersucht.

Toxizität von MOSH und MOAH

Das ist jetzt nichts für schwache Nerven, denn für die toxikologischen Untersuchungen werden in der Regel Fütterungsstudien am Tier, meist Ratten durchgeführt. Und hier sind wir dann bei den Tierversuchen, die ja eigentlich keiner will (11). Es wird an den Tieren untersucht, ob und wie sich die inneren Organe verändern und die Toxikologen kommen dann zu einem Ergebnis. In unserem Fall: „Gesundheitliche Risiken sind nach dem derzeitigem Kenntnisstand nicht zu erwarten“ (12, 13).

Verbraucherverbände

Wäre ja alles gut, oder? Aber warum haben dann die Verbraucherverbände Alarm geschlagen? Meine Vermutung: Vielleicht brauchten sie auch ein bisschen Aufmerksamkeit. Sogar der Europäische Verbraucherverband wandte sich an die EU Kommission (14). Dumm nur, dass man nicht aufgepasst hat, denn die Rückstände im Recyclingpapier kommen aus einer technischen Anwendung von Mineralölen. In der Kosmetik aber gelten ganz andere, deutlich strengere Anforderungen und Grenzwerte für aromatische KWs. Generell kritisieren aber auch die Verfasser einer Studie über Mineralölanalytik in Lippenstiften, dass Verbraucherzentralen ewig von krebserzeugenden Mineralölprodukten sprechen (15), die so in Kosmetika gar nicht vorkommen. (7)

Was bedeutet das für uns Verwenderinnen? Vielleicht mal gelassener an die Sachen rangehen, nicht gleich alles teilen und lieber mal noch woanders schauen. Gerne auch mal bei den Experten, denn die kennen sich aus. 😉

Literaturstellen

(1) WAZ 2017: Lippenpflegestifte und schädliche Inhaltsstoffe
(2) Produktqualität.com: MOSH und MOAH
(3) ICI-Köln: Mineralölrückstände in Lebensmitteln
(4) DGFett: Stellungnahme Mineralöl
(5) Lebensmittelverband Deutschland: Sachstand Mineralöl 
(6) Stiftung Warentest 2017: Kritische Stoffe in Lippenstiften
(7) Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit: Mineralölanalytik in Lippenpflegeprodukten
(8) Pinkmelon: Lippenpflege nicht nur im Winter aktuell 
(9) Pinkmelon: Vom Zauberstab des Eros zum modernen Lippenstift
(10) DejaYu: Naturkosmetik und die Biolüge
(11) DejaYu: Kosmetik ohne Tierversuche
(12) BfR: Gesundheitliche Risiken nicht zu erwarten
(13) Toxikologische Bewertung von Mineralölbestandteilen
(14) Europäischer Verbraucherverband
(15) Stiftung Warentest: Mineralöle in Kosmetika

Weiterführende Links

www.bfr.bund.de

Foto: ©iStock.com/AaronAmat

Autor dieses Artikels:

Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu ist promovierte Chemikerin und Expertin auf dem Gebiet der Entwicklung und Produktion von Kosmetika. Sie bringt mehr als 16 Jahre Erfahrung in der kosmetischen Industrie mit sowie sieben Jahre freiberufliche Erfahrung in Shanghai, China und Mülheim adR.

Urheberrecht: Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu. Verwendung des Textes nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors.

Dieser Artikel wurde verfasst am 6. August 2019
von in der Kategorie Geheimnis Kosmetik

Dieser Artikel wurde seitdem 823 mal gelesen.

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