Barrierelipide der Haut
Helfen Ceramide wirklich?
Das Stichwort sind Biomembranen, denn nur sie ermöglichen allen Lebewesen das Überleben. Sie bauen Zellwände auf, begrenzen zelluläre Reaktionsräume und dienen zur Signalübertragung. Eine wichtige „Membran“ ist übrigens die Haut. Membranen sind überwiegend aus Lipiden zusammen gesetzt und eine Substanzklasse darin sind die Sphingolipide. Eine spannende Geschichte von Haut, Haar und Hirn.
Ceramide sind „alt“, jedenfalls altbekannt. Sie wurden Anfang der 80ger Jahre des letzten Jahrhunderts in der Haut gefunden. Das ist mal gerade 40 Jahre her. Nicht lange für eine Entdeckung, in dem Gedächtnis der Kosmetikindustrie jedoch eine Ewigkeit. Noch länger ist es her, dass die Vorläufer der Ceramide (Abb. 1), die Sphingolipide, im Gehirn entdeckt wurden (Ludwig Thudichum, 2. Hälfte des 19.Jhdts). Neueste Untersuchungen legen jetzt nahe, dass es weitere, bisher unbekannte Wirkungsweisen dieser Substanzklasse gibt. Aber erst mal zur Haut.
Abb.1: Allgemeine Struktur der Ceramide: R = H Ceramid, R = Glucose Glucosylceramid
Tot oder lebendig?
Lange galt unsere Haut als leblose Hülle, die lediglich einen mechanischen Schutz gegen unsere Umwelt bot. Kratzte man diese Hülle ab, trat Blut, also lebendes Gewebe in Erscheinung. Folglich meinte man also auch, man könne so ziemlich viel auf die Haut schmieren, ohne dass sie Schaden nähme. Untersuchungen Mitte des letzten Jahrhunderts legten sogar nahe, dass die Epidermis eine „Korbstruktur“ hätte. Diese „Erkenntnis“ lag jedoch daran, dass man in Formalin fixiertes Gewebe mikroskopiert hatte und einem sogenannten Artefakt aufgesessen war. Mit der Weiterentwicklung der Analysemethoden, mehrten sich aber andere Entdeckungen.
Die Haut als stratifiziertes Organ
Neue, nicht austrocknende Fixierungsmethoden, andere Extraktionsmethoden, neue Analysemethoden, die alle zusammen brachten neue Erkenntnisse über die Haut, speziell die Epidermis. So gehörte z.B. Albert Kligman (siehe auch: Vitamin A – wirklich ein perfekter Anti-Aging Wirkstoff) zu einem der ersten, der die Schichtstruktur der Epidermis beschrieb (1). Nun lag es nahe, nicht nur zu schauen, was auf der Haut, sondern auch in der Haut passierte. Diese Arbeiten wurden von Peter M Elias veröffentlicht (2), der mittels Elektronenmikroskopie die Epidermis eingehend darstellte. 1988 führten diese Arbeiten zu dem „Brick and Mortar“ Modell des Stratum Corneums (Abb. 2 und siehe auch: Wie essentielle Fettsäuren unsere Haut ernähren).
Abb.2: „Brick & Mortar“-Modell des Stratum Corneums nach PM Elias
Die Barrierelipide der Haut
Nun folgte das, was Forscher in solchen Situationen üblicherweise tun: Man versuchte die verschiedenen Untersuchungsmethoden miteinander zu korrelieren. Und dann verglich man die Ergebnisse mit verschiedenen Hautzuständen (3). Um es kurz zu machen: Die Barrierelipide sind DIE Substanzen, die im Wesentlichen für die Barriereeigenschaften der Haut verantwortlich sind. Sie sind:
♦ Fettsäuren
♦ Cholesterin
♦ Ceramide
Diese drei Substanzklassen bilden in einem molaren Verhältnis von 1:1:1 eine flüssigkristalline Schicht, die nur sehr schwer von anderen Substanzen penetriert werden kann. Aber, ist diese Struktur gestört, weil z.B. wesentliche Komponenten fehlen, kommt es zu trockener Haut, Neurodermitis oder Psoriasis. Die Schlüsselsubstanzen hierfür sind die Ceramide.
Ceramide: Wie sie gebildet werden
Ceramide (Abb.1) werden aus einem Sphingolipid und einer Fettsäure gebildet. Ihr Name leitet sich von dem Lateinischen Wort „Cera“ für Wachs ab und Amid, das die chemische Funktionalität beschreibt. Die Fachleute sprechen auch von amphiphilen Molekülen, die also ähnlich wie ein Emulgator ein lipophiles- und ein hydrophiles Ende haben. Allerdings sind Ceramide aufgrund ihrer Molekülgröße schlecht löslich.
Wie kommen sie also in die Haut? Abb. 3 veranschaulicht den Fortgang der Differenzierung der Epidermis von links nach rechts.
Abb.3: Differenzierung der Epidermis
In der Basalschicht sind die „Ceramide“ noch gar nicht vorhanden. Man vermutet, dass ihre Vorläufer im Golgi Apparat der Zellen gebildet werden. Diese werden im Verlauf der Differenzierung umgewandelt zu Acylglucosyl Ceramiden. Im Stratum Granulosum werden in den Lamellaren Granulen die Glucosereste enzymatisch abgespalten, so dass im Stratum Corneum nur noch die Ceramide übrig sind.
In der menschlichen Haut finden sich neun unterschiedliche Ceramidtypen, die man nach ihrer chromatographischen Mobilität zunächst nummeriert hat. Mittlerweile ist man dazu übergegangen, sie nach Art des Sphingoid- und Fettsäurerestes zu benennen (Tab.1).
Tab.1: Ceramidtypen aus https://de.wikipedia.org/wiki/Ceramide
Ceramide und Hauterkrankungen
In den vergangenen dreißig Jahren sind umfangreiche Untersuchungen durchgeführt worden, um herauszufinden, was in der Haut von Neurodermitikern und Psoriatikern anders ist. Die Idee war, einen anderen Wirkstoff als Cortison zu identifizieren, mit dem sich eine Langzeitbehandlung dieser Erkrankungen durchführen ließ. Bei Neurodermitikern ist überwiegend Ceramid 1 (Cer [NOS]) verringert, bei Psoriatikern Ceramid 3 (Cer [NP]). Man vermutet, dass die Biosynthese dieser Substanzen gestört ist, weswegen auch die Supplementierung von mehrfach ungesättigten Fettsäuren bisher eine der erfolgreichsten Therapien ist. Ceramid 1 ist mit Linolsäure acyliert und ihm wird eine besondere Funktion bei der Ausbildung der Lipiddoppelschichten der Barrierelipide zugeschrieben (Abb. 4).
Abb.4: Struktur von Ceramid 1
Ceramide, Pseudo- und Phytoceramide werden erfolgreich bei der Behandlung von trockenen und / oder erkrankten Hautzuständen eingesetzt (4). Allerdings ist ihr Einsatz in der Hautpflege relativ beschränkt, was am hohen Preis, aber auch an der schlechten Verarbeitbarkeit liegt.
Haar und Hirn
Interessanterweise funktionieren Ceramide auch beim Haar. Denn die Cuticula Schichten des Haares werden ebenfalls mit Lipiden zusammengehalten. Hier sind Ceramide ebenfalls wirksam. Mittels der Amidstruktur lagern sie sich an das Keratin des Haares an und sorgen so für eine sichtbare Verbesserung der Haarstruktur. So wundert es denn auch nicht, dass es etliche Haarpflegeprodukte mit diesen Substanzen gibt.
Neueste Untersuchungen legen nun etwas ganz anderes nahe: Auch im Hirn, wo diese Substanzklasse erstmals entdeckt wurde, spielen sie eine wichtige Rolle – als Signalüberträger. Ceramide verringern die neuronale Plastizität, was zu Depressionen führt. Sie werden enzymatisch aus Sphingomyelin freigesetzt. Antidepressiva können nun die Aktivität dieses Enzyms und somit Depression verringern (www.fau.de).
Ganz neu ist die Entdeckung, dass Sphingolipide wichtiger Biomarker für Migräne sind (www.scinexx.de).
Was uns also im wahrsten Sinne Kopfschmerzen bereitet, ist an anderer Stelle – nämlich in der Haut – ein wichtiger Teil der Lipidbarriere.
Literaturangaben:
1. Kligman; A Brief History of How the Dead Stratum Corneum Became Alive, Skin Barrier (Elias, Feingold Eds) (2006), 15-24
2. Elias, Friend; The Permeability Barrier in Mammalian Epidermis, J.Cell Biology (1975) 65, 180-191
3. Schreiner et al.; Barrier Characteristics of Different Human Skin Types Investigated with X-Ray Diffraction, Lipid Analysis, and Electron Microscopy Imaging, J.Invest.Derm. (2000) 114, 654-660
4. Takahashi et al.; Evaluation of a Barrier Repair Cream Containing Pseudo-Ceramide for Practical Use by Hairdesssers with Hand Skin Disorders Due to Daily Exposure to Chemical Irritants, JCDSA (2013) 3, 263-270
Foto: ©iStock.com/kati1313
Autor dieses Artikels:
Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu ist promovierte Chemikerin und Expertin auf dem Gebiet der Entwicklung und Produktion von Kosmetika. Sie bringt mehr als 16 Jahre Erfahrung in der kosmetischen Industrie mit sowie sieben Jahre freiberufliche Erfahrung in Shanghai, China und Mülheim adR.
Urheberrecht: Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu. Verwendung des Textes nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors.
Dieser Artikel wurde verfasst am 2. Februar 2016
von Ghita_Yu in der Kategorie Geheimnis Kosmetik
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