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Gefahr und Risiko: von falscher Sicherheit zur Panik

Gefahr und Risiko werden vielfach unterschiedlich interpretiert: in der Alltagsprache verwenden wir sie zudem häufig synonym, während in der Wissenschaft (z.B. bei Sicherheitsbewertungen von Stoffen) klar unterschieden wird. Das wird für uns dann zum Problem (ich will ja nicht vom Risiko reden…) wenn es zum Beispiel um Kosmetik geht.

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Gerade jetzt in der Sauren-Gurken Zeit laufen Trash-TV Sendungen auf Hochtouren. Alle möglichen Dinge – gerne aber Kosmetika – werden vermeintlich fachmännisch und unabhängig untersucht. Nicht selten führt eine derartige Berichterstattung in die Irre. Denn viele von uns können mit Statistiken, Wahrscheinlichkeiten und dem Risiko nicht umgehen. Rüsten wir nach und wappnen uns für Gefahr und Risiko!

Gefahr und Risiko gehören zum Leben

Täglich sind wir Gefahren ausgesetzt und trotzen diesen, meist ohne es zu merken. Denn unsere Lebensumwelt ist eigentlich feindlich. Der Sauerstoff, den wir zum Leben brauchen – hochgiftig, zellschädigend. Das Sonnenlicht, das wir als so angenehm empfinden und das zur Vitamin D-Synthese notwendig ist, birgt weitere Gefahren, denn die Strahlung kann nicht nur die Haut verletzen, sondern auch Krebs begünstigen. Welche Gefahren lauern aber in so vermeintlich profanen Dingen wie Deo oder Gesichtscreme?

Gefahr (Englisch: hazard)

Doch dafür müssen wir erst mal klar stellen worüber wir reden. Die Gefahr!
Ein Stoff, eine Sache oder Situation sind dann gefährlich, wenn sie Leib, Leben oder die Gesundheit bedrohen. Es ist wichtig dies so nüchtern wie möglich zu betrachten, denn wir wollen sie ja erkennen. Wo wir schon bei nüchtern sind: Alkohol, ein Teufelszeug, denn schon in geringen Konzentrationen hat Ethanol (in der Umgangssprache Alkohol) gravierende Wirkung auf unser Gehirn und schädigt bei chronischem Genuss u.a. die Leber oder das Ungeborene im Mutterleib. Alkohol ist eine gefährliche Substanz.

Risiko (Englisch: risk) und die Bedeutung der Exposition

Jetzt zum Risiko: Bleibt die Flasche zu, tritt der Schaden nicht ein. Aber nicht jeder, der trinkt, hat eine kaputte Leber. Das Risiko, hier z.B. eine Leberschädigung durch Alkoholgenuss, hängt ab davon, wie häufig die Flasche geöffnet und wieviel getrunken wird. Kurz: Risiko = Gefahr x Exposition, denn  die Dosis macht das Gift! Bei der Sicherheitsbewertung von chemischen Substanzen gehört die Bewertung von Gefahr und Risiko zur täglichen Praxis und ist mit der Chemikaliengesetzgebung REACH auch verbindlich gefordert. Zudem werden wir Verbraucher aktuell informiert beim www.bfr.bund.de.

Risikobewertung –  eine Frage der Statistik

Natürlich gehört zu einer ordentlichen Risikobewertung nicht allein die Betrachtung der Exposition, sondern auch immer der Nutzen, den der Rohstoff mit sich bringt und eine fundierte Datensammlung der (Neben)wirkungen. Das geschieht z.B. bei Krebs- oder Aidsmedikamenten. Auch Kosmetika werden immer auf ihre dermatologische Sicherheit hin untersucht. Stoffe, die ein relevantes Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen, sind für Kosmetika absolut verboten. Denn Kosmetika sollen keine Erkrankung kurieren, sondern die Haut, Haare oder Zähne in einem gesunden Zustand erhalten. Die größte Gefahr für den Verbraucher stellen derzeit Duftstoffe dar mit dem  Risiko einer allergischen Reaktion (siehe auch: Die Chemie des Duftes). Ist nun aber was dran an den Vermutungen: Parabene erzeugen Brustkrebs, Aluminum Chlorohydrat fördert Alzheimer?

Verfügbarkeitsheuristik – oder nur was in den Medien ist, macht Angst

Die Hersteller von Kosmetika nehmen solche Vermutungen sehr ernst und geben viel Geld für weiterführende Untersuchungen aus. Bisher konnte keine der oben genannten Vermutungen auch nur ansatzweise erhärtet werden. Dafür finden sich häufiger Hinweise darauf, dass die ursprünglichen Arbeiten, die den Verdacht nahe legen sollten, selbst handwerkliche Fehler beinhalten (von Betrug will ich hier gar nicht reden).
Aber hat es eine solche Vermutung einmal in die Medien geschafft, passiert bei uns Menschen etwas anderes: da wir mit Risiken schlecht umgehen können und kaum einer von uns ein Gefühl hat für Wahrscheinlichkeiten, siegt Gefühl über Verstand. Das ist speziell dann der Fall, wenn das Ereignis besonders dramatisch und aktuell ist (fachsprachlich: availability bias). Als Resultat überschätzen wir die Gefahr hin bis zur Panik. Wer wissen will, wie leicht er ein Opfer einer solchen Verfügbarkeitsheuristik  werden kann, kann sich ja mal testen: www.faz.net oder www.riskliteracy.org.

Und wer jetzt beschlossen hat, dass der Fernseher aus bleibt, dem empfehle ich zum Beispiel die Lektüre von Gerd Gigerenzer: Risiko, ISBN: 978-3-570-10103-2.

Foto: ©istockphoto.com/cosmonaut

Autor dieses Artikels:
Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu ist promovierte Chemikerin und Expertin auf dem Gebiet der Entwicklung und Produktion von Kosmetika. Sie bringt mehr als 16 Jahre Erfahrung in der kosmetischen Industrie mit sowie vier Jahre freiberufliche Erfahrung in Shanghai, China.

Urheberrecht: Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu. Verwendung des Textes nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors.

Dieser Artikel wurde verfasst am 20. August 2013
von in der Kategorie Geheimnis Kosmetik

Dieser Artikel wurde seitdem 6809 mal gelesen.

Eine Antwort zu “Gefahr und Risiko: von falscher Sicherheit zur Panik”

  1. fwdberlin

    Hinzu kommt noch: Wir unterschätzen Risiken, von denen wir glauben, wir könnten sie selbst kontrollieren, und wir überschätzen Risiken, denen wir meinen ausgeliefert zu sein.

    Wie der Mann, der sich schwere Sorgen über eventuelle Pestizidrückstände in seinem Frühstücksmüsli macht – während er, Zigarette im Mundwinkel, mit 200 über die Autobahn brettert.

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