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Kulturschock im Kosmetikmarkt

Das Internet bringt uns die Welt so nah, wie sie vor einigen Jahren nur für die wenigsten erreichbar war. Es kommen die neuesten Trends, die hippsten Fotos und die abgefahrensten Styles weltweit zu uns. Und mit den ganzen tollen Sachen kommt auch eine Menge Schrott, der sich aber erst bei genauerem Hinsehen als solcher entpuppt.

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©iStock.com/RuslanDashinsky

Umgekehrt wird von den Kosmetikherstellern weltweit sehr genau geschaut, wo sich welche Trends etablieren und welche Produkte dafür angeboten werden können. So ist bekannt, dass in Asien sogenannte „whitening“ Produkte ein absolutes Muss sind. In Brasilien ist ein gepflegter und gut duftender Körper auch in Krisenzeiten von höchster Priorität (siehe auch www.gtai.de). Haare sind auf der ganzen Welt wichtig, die Duschgewohnheiten unterscheiden sich jedoch drastisch. Eins wird dabei ganz deutlich: „Den“ Markt gibt es nicht und „verstehen“ kann man ihn nur, wenn man hinter die Kulissen schaut.

Andere Länder, andere … Badezimmer

Da ist der Trend „no poo“, den man nur verstehen kann, wenn man weiß, wie in Nordamerika üblicherweise die Haare gewaschen werden – nämlich täglich – und wie wichtig (gepflegte) Haare für das Selbstverständnis einer Amerikanerin sind. Oder die Fassungslosigkeit von Marketingleuten über den mangelnden Absatz von Duschgel in China, dessen Grund sich einem schlagartig erschließt, wenn man weiß, wie ein chinesisches Badezimmer aussieht*. Die Stärke von vermeintlich kleinen Marken in Brasilien und der ungebrochenen Beliebtheit des door-to-door Verkaufs, versteht man auch erst, wenn man weiß wie die Distribution in diesem Land funktioniert**. Dies sind nur einige wenige Beispiele dafür, dass es sich lohnt, hinter die Kulissen zu schauen.

Mein amerikanischer Alptraum

Trotz aller vermeintlichen Nähe kann man also einige Überraschungen erleben: Bei meiner Recherche zu Tampons und TSS (siehe auch: TSS und das humane Mikrobiom und Windeln, Tampons, Binden, Slipeinlagen) bin ich auf die Website eines nordamerikanischen Herstellers gegangen. Ich wollte sehen, wie dort die Verwendung von Tampons erklärt wird. Und war überrascht, um nicht zu sagen erschüttert. Kein Wunder, dass die Mädels nicht wissen, wie man einen Tampon richtig verwendet, wenn a) nicht erklärt wird, wie frau aussieht und b) das Ganze sowieso mit einem Applikator passiert. Ja wahrscheinlich damit nur kein Finger mit der Scheide in Berührung kommt. Was weniger hygienischen als pseudo-religiösen Aspekten geschuldet ist. Sich selber anfassen, das macht man in Nordamerika nicht: auch nicht unter der Dusche, weswegen Seife – es ist das Stück, mit dem man den Körper berührt – immer noch Konjunktur hat und Duschgel am besten mit diesem „Netz-Schwamm“ verkauft wird.

Fragwürdig perfekt: Barbie und Ken

Auch geht man in USA nicht ungeschminkt auf die Straße. Offenbar ist das auch der Grund, weswegen die YouTube Videos eines Herstellers von Camouflage Produkten gehypt werden, eben weil sich dort Menschen ungeschminkt und mit allen möglichen „Fehlern“ zeigen: Akne, Vitiligo (Weißfleckenkrankheit), Tattoos, usw. Als ich mir die angesehen habe, wunderte ich mich schon, wie das in Europa, speziell Deutschland, ein Forum finden kann…
Dass die Haare auf dem Kopf nicht üppig genug sein können, wissen wir von Barbie. Haare unter den Achseln dagegen, auf den Beinen oder gar auf den Armen: weg! (siehe auch: Körper ohne Haare). Die Nass-Rasierer für die Frau kommen also auch – genau – aus den USA und sind teurer als die für die Männer, die genauso funktionieren.
Geduscht wird sowieso gerne, meist mehrmals am Tag und meine Mutter war vor vielen Jahren ziemlich angefressen als mein amerikanischer Cousin täglich nach frischen Handtüchern verlangte. Er wollte restlos clean sein. Ein Ziel, das er mit vielen anderen (Amerikanern) teilt, denn bugs (Bakterium oder Käfer) auf der Haut gehen ja gar nicht. Deswegen wird in den USA (und woanders natürlich auch) gerne desinfiziert, wo es eigentlich gar nicht nötig tut: im Mund, an den Händen, im Intimbereich… noch Fragen?

Export europäischer Finesse?

Trends aus anderen Ländern, die speziell übers Internet verbreitet werden, darf man also gerne hinterfragen. Aber wie steht es mit dem Export der vermeintlich eleganten europäischen Produkte in alle Welt? Natürlich versuchen die großen Hersteller von Kosmetika den Markt weltweit mit ihren Produkten und Konzepten zu erobern. Nicht immer mit Erfolg, denn Verbraucherbedürfnisse ändern sich, wie zum Beispiel in China. Dort glauben die Verwenderinnen (noch) nicht, dass gute Produkte im Massenmarkt zu finden sind (siehe auch http://blog.zeit.de). Oder lokale Marken werden stärker, wie in Indien, (www.gtai.de) oder die Bedürfnisse der Verbraucher müssen überhaupt erst verstanden werden, wie in Afrika (www.welt.de).

Wir jedenfalls dürfen gespannt sein, wann und welche Trends oder Produkte aus Asien oder Afrika zu uns kommen und wie sie zu uns passen. Bis dahin können wir gelassen all die „interessanten“ Hypes aus aller Welt an uns vorbeiziehen lassen.

*DAS chinesische Badezimmer gibt es natürlich nicht, aber die Vielfalt, die es in diesem riesigen Land gibt, hier beschreiben zu wollen, sprengt den Rahmen. Die Badezimmer, die ich kenne, sind alles andere als Wohlfühloasen.
** Die Hindernisse, die Produkte an die Verwender zu bekommen, sind überwiegend logistischer Natur.

Foto: ©iStock.com/RuslanDashinsky

Autor dieses Artikels:
Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu ist promovierte Chemikerin und Expertin auf dem Gebiet der Entwicklung und Produktion von Kosmetika. Sie bringt mehr als 16 Jahre Erfahrung in der kosmetischen Industrie mit sowie sieben Jahre freiberufliche Erfahrung in Shanghai, China und Mülheim adR.

Urheberrecht: Dr. Ghita Lanzendörfer-Yu. Verwendung des Textes nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors.

Dieser Artikel wurde verfasst am 29. September 2015
von in der Kategorie Geheimnis Kosmetik

Dieser Artikel wurde seitdem 2122 mal gelesen.

Eine Antwort zu “Kulturschock im Kosmetikmarkt”

  1. Hitsu

    Dieser Artikel war sehr interessant. Ich habe selbst mehrere Jahre in Japan gelebt und die manchmal widersprüchlichen Kosmetika Verhaltensweisen erlebt. Solche regionalen Besonderheiten sind immer wieder spannend. Gerne mehr davon…

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